Wieder und wieder
Wie ihr sicher wisst, gehören Rinder zu den Wiederkäuern. Aber was genau heißt das eigentlich? Wir versuchen es einmal zu erklären: Rinder haben nicht nur einen Magen wie wir Menschen, sondern gleich mehrere. Um genau zu sein ganze vier Stück. Das sind die drei Vormägen (Pansen, Netzmagen und Blättermagen) sowie der eigentliche Magen, der sogenannte Labmagen. Die Nahrung wird im Pansen mit Hilfe von Bakterien vorverdaut, dann in kleinen Portionen wieder zurück in die Mundhöhle transportiert und anschließend ein zweites Mal gründlich gekaut. Daher kommt auch die Bezeichnung Wiederkäuer. Nur deswegen können Rinder Gras verdauen und die Energie daraus verwerten. Wir Menschen können das mit unserem – im wörtliche Sinne – einfachen Magen nicht. Daher sind Rinder auch so wichtig für den Erhalt unseres Grünlandes. Denn nur, wenn Wiesen und Weiden regelmäßig abgefressen oder gemäht werden, bleiben sie erhalten. Andernfalls würden sie mit der Zeit verbuschen.
Wichtige Vokabeln!
Kalb: 0 bis 6 Monate altes weibliches oder männliches Rind
Färse: weibliches Rind, das noch kein Kälbchen bekommen hat
Kuh: weibliches Rind, das bereits ein Kälbchen bekommen hat
Bulle: geschlechtsreifes, männliches Rind
Ochse: kastriertes, männliches Rind
Kuh ist nicht gleich Kuh
Wie bei vielen andere Tierarten gilt auch hier: Spezialisierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Wir Bauern unterscheiden nämlich zwischen Milchkühen und Fleischrindern. Wenn wir auf unseren Höfen Milch produzieren und anschließend sogar Käse oder Joghurt aus dieser herstellen möchten, halten wir in unseren Ställen bzw. auf unseren Wiesen und Weiden Milchkuhrassen. Fleischrinderrassen hingegen unterscheiden sich nicht nur in Fell und Farbe. Sie besitzen deutlich mehr Muskelmasse und stärker marmoriertes Fleisch.
Wusstet Ihr, dass eine Kuh erst ein Kälbchen zur Welt bringen muss, um Milch geben zu können?
Die Tragezeit einer Kuh dauert 9 Monate und 9 Tage, etwa so lange wie die Schwangerschaft bei einer Frau. Das Kälbchen wird nach der Geburt mit der so genannten Biestmilch versorgt. Diese enthält wichtige Inhaltsstoffe.
Die Allrounder
Die Zweinutzungsrassen kombinieren die Leistungsmerkmale Milch und Fleisch zu jeweils unterschiedlichen Teilen. So spricht man von milchbetonten, fleischbetonten oder milch- und fleischbetonten Rassen. Typische Zweinutzungsrassen sind z.B. Fleckvieh, Gelbvieh, Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind, Pinzgauer, Vorderwälder, Hinterwälder.
Muskelprotze
Bei den Fleischrinderrassen steht die Erzeugung von Fleisch im Vordergrund. Die Tiere sind muskulöser und zeigen eine bessere sowie feinfaserige Fleischstruktur als Milchkühe und Zweinutzungsrassen. Typische Fleischrinderrasen sind beispielsweise: Limousin, Charolais, Angus, Galloway.
Wir müssen zugeben, bei den ganzen Begrifflichkeiten kann man schon einmal durcheinanderkommen... Fleischrinderrassen werden oft auch als Mutterkühe bezeichnet. Sie werden nicht gemolken, sondern ziehen mit ihrer Milch ihre Kälber groß, die geschlachtet werden, wenn sie ausgewachsen sind. Unsere Mutterkühe werden mit ihren Kälbern den Sommer über auf der Weide gehalten und verbringen die kalten Winter im Stall.
Milch, Fleisch und vierbeinige Traktoren
Wusstet ihr, dass Rinder schon seit Jahrtausenden als Nutz- und Arbeitstiere gehalten werden? Bereits 8.000 v. Chr. wurden die ersten Rinder aus Ur- und Auerochsen gezüchtet. Die Ausbreitung begann in Indien und ging über Kleinasien bis hin nach Europa, wo sich bis heute verschiedene Rassen entwickelten. Seitdem liefern uns Rinder Milch und Fleisch. Bevor vor etwa 100 Jahren Traktoren begannen unsere Felder und Wiesen zu erobern, wurden Rinder auch gern als Arbeits- und Zugtiere in der Landwirtschaft eingesetzt.
Hightech-Ställe mit Wohlfühlcharakter
Wir hessischen Bauern halten unsere Milchkühe heute in modernen Liegeboxenlaufställen. In diesen können sich die Tiere frei bewegen und selbst entscheiden, wann sie liegen oder fressen wollen. Jedes Tier hat eine eigene Box, die mit einer Gummimatte ausgelegt oder mit Stroh eingestreut ist. So haben unsere Kühe einen weichen Untergrund, auf dem sie bequem liegen können. Im Boden der Laufgänge sind kleine offene Spalten eingelassen. Das hat ganz praktische Gründe: So können Kot und Urin in einem großen Becken darunter verschwinden und Tiere und Stall bleiben sauber. Wir achten darauf, dass unsere Ställe offen gestaltet sind und somit mit viel Tageslicht und Luft geflutet werden. Wenn es im Sommer zu warm ist sorgen Ventilatoren und Sprinkleranlagen für die nötige Abkühlung. Bei diesen Erfrischungsmöglichkeiten werden wir nicht selten neidisch! Elektrische Kuhbürsten sorgen für den extra Wellnessfaktor bei den Kühen.
Zukunft schon heute
Entweder werden die Tiere von uns in einem Melkstand gemolken – meistens morgens und abends – oder sie können bei einem Melkroboter jederzeit selbst entscheiden, wann sie gemolken werden wollen. Dabei wird das Melkgeschirr mit Erkennungssystemen an das Euter der Kuh angesetzt. Gleichzeitig erhalten wir eine bessere Kontrolle der Tiergesundheit, indem umfangreiche Daten über die Inhaltsstoffe der Milch wie auch Daten des Tieres Rückschlüsse auf die Gesundheit des Einzeltieres und somit Risikofaktoren für die Herde ableiten lassen. Weiterhin kommen In der Milchviehhaltung Sensoren zum Einsatz, die das Wohlbefinden der Tiere überwachen – z. B. über die Messung der Wiederkauaktivität oder das Erfassen von Aktivitäts-, Lauf-, Liege- und Fressverhalten –, die eine präzise, leistungs- und bedarfsorientierte Fütterung steuern, z. B. durch den Einsatz von Transpondern und/oder Futterrobotern. Das sind echte High-Tech-Helfer im Stall!
Das Sauerkrautprinzip
Bei den Komponenten der Nahrung unserer Rinder unterscheiden wir in Grundfutter sowie Kraft- und Eiweißfutter. Grundfutter ist das abgemähte Gras und die Kräuter von Wiesen sowie kleingehäckselte Maispflanzen. Diese Bestandteile werden frisch, getrocknet oder siliert verfüttert. Letzteres machen wir, um das Grundfutter zur ganzjährigen Verfütterung zu konservieren. Das Prinzip ist ähnlich wie bei Sauerkraut. Zum anderen kommt als zusätzliche Komponente noch Kraft- und Eiweißfutter wie Gerste oder Rapsschrot in Futtertrog.
Tagesleistung reicht für 100 Personen
Bei Milchkuhrassen liegt der Zuchtschwerpunkt darin, eine große Menge Milch zu produzieren. Die Menge an Fleisch die ein Schlachttier dieser Rassen bringt, ist verhältnismäßig gering und ist bei weitem auch kein Qualitätsmerkmal einer Milchkuh. Die häufigsten Milchkuhrassen in Deutschland sind Deutsche Holsteins (Schwarzbunt und Rotbunt), Deutsches Braunvieh, Angler/Deutsches Rotvieh und Jersey. Hättet ihr gedacht, dass eine Milchkuh pro Tag etwa 22 Liter Milch gibt? Damit könnte eine einzige Milchkuh etwa 100 Deutsche am Tag mit Frischmilch und Frischmilcherzeugnissen versorgen - exklusive Käse, Butter und Co!
Wertvoller Gestank
Kot und Urin der Rinder mögen zwar nicht besonders gut riechen, sie sind für uns Bauern aber extrem wertvolle Stoffe. Sie dienen als Dünger für unsere Wiesen und Weiden und können sogar in Biogasanlagen zur Energiegewinnung genutzt werden.
Konzentration auf die Mittelgebirgslagen
Im Jahr 1950 gab es in Hessen insgesamt 771.000 Rinder, darunter 439.500 Milchkühe. Und es gab sogar zeitweise noch mehr Rinder in Hessen: 1961 waren es sogar 946.000. Die Zahl der Milchkühe war mit 447.000 im Jahr 1951 am höchsten. 2021 gab es hingegen nur noch 404.133 Rinder, wovon 127.481 Milchkühe sind. Das ist gar nicht mehr so viel, oder?
Im Jahr 1950 wurden in Hessen 853.000 Tonnen Milch erzeugt. Am meisten Milch wurde 1969 erzeugt, da waren es insgesamt 1,46 Millionen Tonnen. 2020 wurden in Hessen etwa 1,09 Millionen Tonnen Milch gemolken und damit sogar weniger als vor 50 Jahren.
Und auch bei der Haltung der Milchkühe hat sich inzwischen viel verändert: Inzwischen werden die meisten hessischen Milchkühe in den weiter oben beschriebenen Laufställen gehalten. Früher wurden die meisten Kühe in Anbindehaltung gehalten.