Kurze, aber steile Karriere
Die feinen weißen Körnchen haben eine erstaunliche Verwandlung hinter sich. Und das verdanken wir der Zuckerrübe. Sie schafft es, mithilfe der Sonnenenergie Zucker zu speichern, den wir Menschen wiederum aus der Rübe gewinnen können. Wusstet ihr, dass es erst etwa 200 Jahre her ist, dass sie für diesen Zweck gezüchtet wurde? Erst 1747 entdeckte der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, dass sich aus Rüben der damals begehrte Zucker gewinnen lässt. Wollte man vorher Speisen süßen, war man vor allem auf Honig, süße Früchte oder teuren Rohrzucker aus arabischen Ländern und aus Übersee angewiesen. Zucker war also ein sehr rares Produkt.
Natürlich gab es in Hessen auch vorher schon Rüben. Die ursprüngliche Rübenpflanze, also die „Mutter“ der Zuckerrübe war die Runkelrübe, welche zwar auch etwas Zucker, aber nur als Futterpflanze für unsere Tiere verwendet wurde.
Mit den Entdeckungen von Marggraf begann dann die systematische Züchtung der Zuckerrüben im 18. Jahrhundert. Die erste Zuckerrübenfabrik eröffnete 1802, seit etwa 1850 wird Rübenzucker in größerem Umfang produziert und wurde mit dem Ziel hoher Zuckergehalte gezielt gezüchtet. Dieser beträgt heute bis zu 24 Prozent. Es handelt sich dabei um Saccharose, den bekannten Haushaltszucker.
Ein echtes Universaltalent
Klar: Mit Zucker können Speisen gesüßt und – denken wir z. B. an Marmelade – gleichzeitig haltbar gemacht werden. Hättet ihr gedacht, dass sich aus einer einzigen 1 kg schweren Zuckerrübe heute bis zu 200 g Zucker gewinnen lassen?
Aber wir haben es aber nicht nur auf den Zucker abgesehen: Die übriggebliebenen Rübenblätter werden entweder als Gründünger für die Felder verwendet oder teilweise auch als Futtermittel genutzt. Außerdem fallen in der Zuckerfabrik große Mengen an sog. Melasse an, die wir unseren Tieren zu fressen geben können oder die zur Alkoholgewinnung und als Nährboden für die Herstellung von Hefe oder Zitronensäure verwendet wird. Sogar die nach der Zuckergewinnung übrig gebliebenen Rübenschnitzel können wir noch gut gebrauchen: Sie werden ebenfalls als Futtermittel verwendet und sind eine beliebte Leckerei in unseren Ställen.
Auch die Bedeutung von Zuckerrüben als nachwachsende Rohstoffe steigt, da sich aus Zucker hervorragend Kunststoffe und Biokraftstoffe erzeugen lassen.
Die Königin der Ackerfrüchte
Für einen erfolg- und ertragreichen Anbau von Zuckerrüben müssen wir hessischen Bauern dafür sorgen, dass sehr vielschichtige Bedingungen erfüllt sind. Die Zuckerrübe stellt hohe Anforderungen an Boden und Klima und wächst am besten auf humushaltigen Lehm- und Lössböden mit guter Wasserführung und einem hohen Nährstoffvorrat. Weniger geeignet sind hingegen nährstoffarme trockene Sandböden oder schwere Tonböden. Das schränkt die Anbaugebiete für uns Bauern in Hessen natürlich ein. Regionale Anbauschwerunkte finden sich in Südhessen, in der Wetterau, im Limburger Becken wie auch im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis. Übrigens steht im Schwalm-Eder-Kreis –in Wabern – auch die einzige Zuckerfabrik Hessens.
Um übermäßigen Schädlings- oder Pilzbefall der Pflanzen zu verringern, achten wir wie bei allen Feldfrüchten darauf, sie auf einer Ackerfläche in einer weiten Fruchtfolge anzubauen – und bei der Zuckerrübe ganz besonders: Wir bauen sie frühestens alle vier Jahre auf derselben Fläche wieder an.
Blüte unerwünscht
Die Zuckerrübe gehört zur botanischen Familie der sog. Fuchsschwanzgewächse und wächst – wie die allermeisten Rüben – überwiegend unterirdisch. Sie stammt ursprünglich von der Wilden Rübe ab. Wusstet ihr, dass die Zuckerrübe eine mehrjährige Pflanze ist und erst im zweiten Jahr den Blütenstand und die Samen ausbildet? Im ersten Jahr entsteht nach der Aussaat im Frühjahr der oberirdische Blattstand und unterirdisch entwickelt sich eine dicke Pfahlwurzel. Die Wurzel selbst verdickt sich nach und nach und der eigentliche Rübenkörper entsteht, der als Speicherorgan der Pflanze dient. Unterhalb dieser Verdickung gräbt sich die Wurzel pfahlartig weiter bis zu 1,5 Meter tief in den Boden. Auch schon im ersten Jahr lagert die Pflanze in der Rübe ihre Reservestoffe in Form von Zucker ein. Für die Zuckerrübenproduktion ist es nicht erwünscht, dass sich Blüten ausbilden, da diese zu viele Nährstoffe aus der Wurzel entziehen und der Zuckergehalt der Rübe sinkt. Zur Gewinnung von Zucker werden die Rüben ausschließlich im ersten Jahr geerntet; soll auch Saatgut gewonnen werden, so muss die Rübe ein weiteres Jahr auf dem Feld stehen bleiben. Das machen wir Bauern aber nicht selbst, sondern überlassen die Organisation den Zuchtunternehmen.
Jahr für Jahr erfolgreiche Kampagnen
Gesät wird im März, geerntet im Herbst. Der Zuckergehalt steigt bei längerer Vegetationszeit kontinuierlich an. Aus diesem Grund ist eine späte Ernte bei guten Witterungsverhältnissen vorteilhaft.
Bei der Ernte der Zuckerrüben sind uns wahre Giganten behilflich. Diese sog. Rübenvollernter entfernen in einem Arbeitsgang die Blätter und holen die Rüben aus dem Boden heraus. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass gewaltige Mengen an Zuckerrüben auf unseren Äckern zusammenkommen. In guten Jahren liegen die Erträge in unseren hessischen Gunstregionen teils deutlich über 80 Tonnen je Hektar. Das ist natürlich eine logistische Herausforderung für uns, weshalb die Rüben zuerst am Feldrand abgelegt werden und zu einem späteren Zeitpunkt von dort aus verladen und direkt zur Zuckerfabrik transportiert werden. Der Abtransport kann sich auch schon einmal weit in die Wintermonate hinausziehen. Das macht unseren Rüben aber nichts aus. Sie behalten ihre Lagerfähigkeit und Frische bis sie schlussendlich in der Zuckerfabrik ankommen. Außerdem schützen wir sie vor Frost, indem wir die Haufen – wir nennen diese auch Mieten – mit einem Vlies abdecken.
Braucht ihr einen Dolmetscher für diesen hessischen Liedklassiker?:
Die Runkel-Roiwe-Roppmaschin’, die roppt die Roiwe raus, die roppt die Roiwe raus, die roppt die Roiwe raus. Die Runkel-Roiwe-Roppmaschin’, die roppt die Roiwe raus, un wann se all geroppt sin, isses Roiweroppe aus. (…)
Wusstet ihr, dass Zuckerfabriken die meiste Zeit des Jahres stillstehen müssen? Da die Fabriken auf unsere frischen Rüben angewiesen sind, muss die Rübenkampagne – man bediente sich hier bewusst der Militärsprache – bis ins allerkleinste Detail geplant werden. In der Zeit der Kampagne – also von September bis etwa Weihnachten – arbeitet die Zuckerfabrik rund um die Uhr, da der für die Zuckerherstellung notwendige Verdampfungsvorgang nicht unterbrochen werden kann. Wir Bauern müssen die Anlieferung also auch logistisch so steuern, dass immer ausreichend Rüben an der Fabrik vorrätig sind.
Besonders wichtig ist in dieser Zeit der organisierte Transport der geernteten Zuckerrüben von den Feldern der Landwirte zur Zuckerfabrik.